Dienstag, 22. September 2009

Zynismus als Grundhaltung


Slavoj Zizek bemerkte neulich in einem Interview: "So funktioniert unsere Welt heute: Auf zynischem Weg. Früher nahm man Dinge ernst, versteckte seine Ironie. Heute ist es umgekehrt. Das Beste ist: Man merkt das nicht! Man denkt, man mache sich über etwas lustig, aber nimmt es in Wahrheit sehr ernst. Anders kann man heute nicht. Es gibt eine Anekdote über den Physiker Niels Bohr. Der hatte ein Hufeisen über seiner Haustür, das ja Glück bringen soll. Man fragte ihn: Sind Sie abergläubisch? Er sagte: Natürlich nicht, ich bin Wissenschaftler. Aber man hat mir gesagt, dass es trotzdem funktioniert." Dem Journalisten, der das Interview führte, dürfte das von Zizek beobachtete Phänomen nicht unbekannt gewesen sein. Zumindest in Europa gibt es kaum noch eine Zeitungsmeldung oder Bildunterschrift, die ohne zynischen Unterton auskommt. Oft gerät der zur dümmlichen Häme, aber im Kern geht es immer um die Distanzierung von etwas durchaus Akzeptiertem. Dieser Tonfall scheinbarer Verachtung ist inzwischen geradezu der Ausweis von Intellektualität. Früher legte der Gymnasiast diese Pennälerhaltung spätestens als Student ab. Es wird viel über die Infantilisierung der Gesellschaft gesprochen. Die Pubertisierung der Medien ist kaum weniger auffällig.